Es ist eine stürmische Novembernacht im Jahre 1691. In Ulm liegt ein junger französischer Soldat ruhig schlafend in seinem Bett. Doch der Schein trügt: In ihm donnert und blitzt es. Er fühlt sich, als würde sein Kopf explodieren. Jahre später soll dieser junge Mann einer der einflussreichsten Philosophen und sein Traum vom Donnerschlag der Beginn einer geistigen Revolution werden: René Descartes. Von ihm stammt der berühmte Satz „Ich denke, also bin ich.“

Dass sein Traum jedoch eine bedeutungsreiche Botschaft einer größeren Macht war, ist zu bezweifeln. Denn das Phänomen, durch Donner und Blitz aus dem Traum aufzuschrecken, ist in der Tat nicht selten: Das Exploding Head Syndrome.

Was ist das Exploding Head Syndrome?

Das Exploding Head Syndrome ist ein Phänomen, welches meistens während des Einschlafens auftritt. Betroffene hören plötzlich ein lautes Geräusch, ähnlich einem Donnerschlag. Dadurch schrecken sie mit pochendem Herzen auf. Viele beschreiben Gefühle von Angst und Panik. Kein Wunder, dass das Einschlafen danach oft nicht leicht ist.

Mögliche Symptome des Exploding Head Syndromes:

  • Ein kurzes, lautes Geräusch lässt Sie aus dem Schlaf aufschrecken.
  • Das Geräusch klingt wie ein Schuss, eine Explosion oder ein Donnerschlag.
  • Gleichzeitig haben Sie visuelle Eingebungen, zum Beispiel helle Lichtblitze.
  • Sie erinnern sich später daran, obwohl das Geräusch nicht zu einem Traum gehört hat.
  • Sie haben keine Schmerzen beim Aufwachen.
  • Ihr Puls ist erhöht.
  • Sie wachen mit grundloser Angst auf.

Diese Symptome kommen dir bekannt vor? Das kann gut sein! Laut Studien haben bis zu 40 Prozent aller Menschen schon einmal unter einem Exploding Head Syndrome gelitten!

Lichtblitze
Lichtblitze – Birzeit University, Bir Zayt, Palestine – Unsplash

Wie entsteht das Exploding Head Syndrome?

Über die Ursache des Exploding Head Syndrome sind Wissenschaftler*innen sich uneinig:

Migräne, Epilepsie, Störungen des Hörsystems, Genmutationen oder Medikamente stehen derzeit im Verdacht, das Exploding Head Syndrome auszulösen. Experten haben dafür plausibel klingende Erklärungen. Bewiesen ist jedoch noch keine dieser Hypothesen.

Einige Forschende vermuten eine Migräneattacke als Ursache für das Exploding Head Syndrome. Bevor charakteristische Symptome (anfallsartige Kopfschmerzen, Übelkeit, Lichtempfindlichkeit) auftreten, kündigt sich eine Migräneattacke oft durch eine sogenannte Aura an: Dieses zugegebenermaßen etwas esoterisch klingende Wort beschreibt in der Medizin Missempfindungen der Sinne. Die meisten Migränepatienten berichten von Sehstörungen wie Zickzacklinien, Blitzlichter und Sternschnuppen. Seltener treten Kribbelgefühle in den Händen und Sprachstörungen auf. Da die Anzeichen einer Aura sehr stark variieren und von Person zu Person unterschiedlich sind, wäre laut Experten auch ein Exploding Head Syndrome ein denkbares Symptom einer Migräne.

Andere Forschungsgruppen vertreten die Ansicht, hinter dem Exploding Head Syndrome stecke eine Form der Epilepsie: Nervenzellen im Gehirn werden unkontrolliert aktiviert. Sie stacheln sich daraufhin gewissermaßen gegenseitig an. Durch diese „Wellen“ von Nervenaktivität im Kopf der Betroffenen kann es zu verschiedenen Symptomen kommen: Krampfanfälle, Bewusstseinspausen, Schwindel, Lichtblitze und Höreindrücke sind typisch. Es gibt also einen ganzen „Blumenstrauß“ von Symptomen, zu denen auch das Exploding Head Syndrome gehören könnte.

Auch Störungen des Hörsystems könnten Auslöser für die unangenehmen Geräusche sein. Eine gestörte Bildung der Innenohrflüssigkeit, eine fehlerhafte Weiterleitung der akustischen Signale oder Probleme mit dem Trommelfell stehen hier im Verdacht.

Schlafmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine wie Diazepam beruhigen und helfen beim Einschlafen. Allerdings stören sie auch unsere natürlichen Schlafzyklen: Das könnte laut Experten für die merkwürdigen Symptome des Exploding Head Syndromes verantwortlich sein…

Habe ich ein erhöhtes Risiko?

Ein erhöhtes Risiko, ein Exploding Head Syndrome zu entwickeln, haben Sie, wenn Sie schon unter einer anderen Schlafstörung leiden. Auffällig: Unter den Paralysepatienten leiden besonders viele an den donnerartigen Geräuschen. Paralyse ist der Fachbegriff für Schlaflähmung. Unter einer Schlaflähmung versteht man die Unfähigkeit, sich kurz nach dem Aufwachen beziehungsweise kurz vor dem Einschlafen willkürlich bewegen zu können. Betroffene sind also bei Bewusstsein, aber regungslos. Ganz schön beängstigend! Wenn man dann noch durch laute Geräusche und Lichtblitze aus dem Schlaf gerissen wird, kann das sehr belastend sein.

Ist das Exploding Head Syndrome Zeichen für einen Hirntumor?

Explosionsartige Geräusche und Lichtblitze im Kopf, rasender Puls, Angst und Panik. Viele Betroffene machen sich große Sorgen, dass hinter den Symptomen eine schwere Krankheit steckt. Vielleicht gehen Sie vom Schlimmsten aus und denken, einen Hirntumor zu haben.

Doch Forschende sind sich einig: Das Exploding Head Syndrome selbst ist in der Regel nicht gefährlich.

Eigentlich problematisch ist seine Unbekanntheit: Ärzte und Betroffene haben häufig noch nie davon gehört. So ist den meisten nicht bewusst, dass sie unter einem häufigen und zumeist harmlosen Phänomen leiden. Im Gegenteil: Oft steigern sich Patienten in die Vorstellung hinein, sie haben Anzeichen einer schweren Krankheit. Der dadurch entstehende Stress kann zu psychischen Belastungen und Schlafstörungen führen.

Unterschiede zu anderen Schlafstörungen

Einige andere Schlafstörungen ähneln dem Exploding Head Syndrome. Um sie zu unterscheiden, müssen wir ganz genau hinschauen:

  • Nächtliche Epilepsie: Im Rahmen einer Epilepsie kommt es zu abnormer Aktivität der Nervenzellen im Gehirn. Daraus resultieren sogenannte epileptische Anfälle, die verschieden stark ausgeprägt sein können. Im Gegensatz zum Exploding Head Syndrome, lassen sich Epilepsien oft mittels eines Elektroenzephalogramms (EEG) diagnostizieren. Manche Wissenschaftler vermuten, Auslöser für das Exploding Head Syndrome seien winzig kleine epileptische Anfälle in bestimmten Hirnregionen. Diese seien so klein, dass man sie mittels EEG nicht detektieren könne.
  • Primär schlafgebundener Kopfschmerz: Unter primär schlafgebundenem Kopfschmerz leiden vor allem ältere Menschen. Wiederholte Kopfschmerzattacken mit dumpf-drückendem Charakter treten hier oft mehrmals pro Nacht auf. Diese Attacken dauern mindestens 15 Minuten: Ein Exploding Head Syndrome ist ein sehr kurzes Ereignis, welches auch einmalig sein kann.
  • Albtraumschlafstörung: Jeder hat ab und zu einen Albtraum. Leidet jemand sehr regelmäßig unter zum Teil wiederkehrenden Albträumen, spricht man von einer Albtraumschlafstörung. Klarer Unterschied zum Exploding Head Syndrome: Die donnerartigen Geräusche müssen nicht Teil eines Albtraums sein.
  • Posttraumatische Belastungsstörung: Traumatische Ereignisse im Leben eines Menschen können langfristige Folgen haben. Flashbacks und emotionale Abgestumpftheit gehören zu den Symptomen. Auch von Schlafstörungen und Albträume sprechen Betroffene häufig. Ein Exploding Head Syndrome kann in seltenen Fällen auch zu den Anzeichen gehören. Das ist aber nicht die Regel.
Schickes Schlafzimmer
Schöne Schlafumgebung – antoha713 – Fotolia 24978125

Wie behandelt man das Exploding Head Syndrome?

So plötzlich wie es kommt, so plötzlich ist das Exploding Head Syndrome häufig auch schon wieder verschwunden. Vielen Patienten helfen kleine Änderungen:

Verbesserung der Schlafhygiene

  • Sorgen Sie dafür, dass Ihr Schlafzimmer ein ruhiger, dunkler Raum ist.
  • Öffnen Sie nachts das Fenster: Studien belegen die schlaffördernde Wirkung von frischer, kühler Luft.
  • Sorgen Sie für Ordnung im Schlafzimmer.
  • Tragen Sie bequeme Schlafkleidung, in der Sie nicht schwitzen.
  • Vermeiden Sie unnötige Aufregung vor dem zu Bett gehen: Hitzige Diskussionen und spannende Actionfilme lieber auf den nächsten Tag schieben!
  • Benutzen Sie 30 Minuten vor dem Einschlafen keine elektronischen Geräte mehr. Handy, Laptop und Co. geben viel blaues Licht ab. Studien zeigen, dass dieses uns wachhält. Smarte Alternative: Verwenden Sie eine Blaulichtfilterbrille!

In seltenen Fällen können Medikamente helfen

In besonders schweren Fällen verschreiben Ärzte auch Medikamente gegen das Exploding Head Syndrome. Dazu gehören Blutdrucksenker wie Nifedipin, die Antidepressiva Amitryptilin und Duloxetin und das Antiepileptikum Topiramat. Alle diese Medikamente haben jedoch Nebenwirkungen. Daher ist es ratsam, das Exploding Head Syndrome auf anderem Wege loszuwerden. Dies klappt häufig: Bei den meisten Menschen verschwindet das Exploding Head Syndrome mit der Zeit ganz von selbst!

Homocysteinspiegel erhöht?

In manchen Fällen kann auch ein erhöhter Homocysteinspiegel eine Ursache sein. Hier liegt dann häufig ein Mangel an Vitamin B6, Vitamin B12 und/oder Folsäure vor. Homocystein ist eine schwefelhaltige Aminosäure, die beim Abbau von Methionin entsteht. Da Homocystein ab einer gewissen Konzentration schädlich für den Körper ist, wird es normalerweise entweder in Methionin oder in das unschädliche Cystein umgewandelt. Dieses scheidet man dann mit dem Urin aus. Um festzustellen, ob der Homocysteinwert erhöht ist, wird eine Blutuntersuchung im Labor vorgenommen. Leider zählt diese Untersuchung nicht zu den vorgeschriebenen Leistungen der Gesundheitskassen. Wer aber auf der Suche nach einer Lösung ist, könnte zur Absicherung diesen Test von seinem Hausarzt durchführen lassen. Laut Gebührenordnung (Stand 2022) liegt dieser bei 38,20 EUR.

Alternative Möglichkeiten

Zur Optimierung Deines Schlafverhaltens und zur Verbesserung der Schlafhygiene kann Dir auch ein Schlafcoach behilflich sein. Auch Online-Trainings können helfen, das Problem in den Griff zu bekommen.





Jetzt Hoeren
Podcast zum Thema
"Das Exploding Head Syndrome"

Deezer
Spotify
Apple Podcast
Amazon/Audible
Google Podcast