Ein Trend hat sich in den letzten fünf bis sechs Jahren auf dem deutschen Bettenmarkt durchgesetzt wie kein anderer: Boxspring. Man hat das Gefühl, als würde die Anzahl derer, die auf der IMM Cologne Boxspringbetten oder Betten in Boxspring-Optik präsentieren, Jahr für Jahr anwachsen. Kein anderes System hat eine derartige Präsenz – dabei wurde es vor wenigen Jahren noch allseits belächelt. Niemand glaubte wirklich daran, dass sich das amerikanisch-skandinavische Bedding in Europa oder gar Deutschland durchsetzen könnte. 2015 stechen vor allem die hochpreisigen Traditionshersteller ins Auge – Somnus, Vi-Spring, Sealy – oder Yatsan aus der Türkei.

Yatsan, einer der größten und wichtigsten Bettenhersteller der Türkei, setzt auf seinem opulenten Messestand in Halle 9 ganz auf ein edles, gediegenes Ambiente. Der Stand nach oben mit einem Dach abgeschlossen, sodass man beim Blick gen Himmel nicht die kahle Atmosphäre der Messehalle kreuzt, die einen in die Realität zurückholen könnte. Yatsans Gemeinschaftsstand mit Serta verbreitet die Anmutung von teuren Hotelsuiten oder Schlafzimmern in herrschaftlichen Villen. Der durchschnittliche Messebesucher an den Publikumstagen mag sich hier fühlen, als würde er einen Blick ins Privateste der „rich & beautiful“ erhaschen. Soweit, so Klischee. Denn ein gewisses orientalisches Flair kommt bei der Gestaltung der massigen Boxsprings hinzu, und das ist durchaus Absicht: denn eigentlich sind diese Art Betten für die Türkei ziemlich untypisch, sie zielen eher auf ein internationales Publikum mit Hang zu Luxus und dem nötigen Kleingeld, die ein gewisses Bild des Orients im Kopf haben. Das tut der Sache aber keinen Abbruch: Yatsan produziert Komplettsysteme auf hohem Niveau aus hochwertigen Materialien. Dass man auf der Messepräsentation an Hotels erinnert wird, ist ebenso wenig Zufall, denn genau dort findet man in der Türkei und auch außerhalb die meisten Yatsan-Betten. Allerdings ist die Produktpalette breit, trotz der Konzentration auf Federkerne versucht Yatsan, einen Großteil des Marktes auch mit anderen Systemen abzudecken – und Boxspring ist halt in Europa gerade der Umsatzgarant schlechthin.

Yatsan ist in diesem Segment vergleichsweise jung: Das Unternehmen wurde 1974 in Istanbul gegründet. Vi-Spring und Somnus hingegen zielen ebenfalls auf die Luxusliga, woran sie schon rein optisch keinen Zweifel aufkommen lassen, können aber auf über hundertjährige Traditionen zurückblicken. Wirklich neu ist das, was die Genannten auf der Möbelmesse im Januar 2015 zeigten, nicht. Natürlich gibt es neue Kollektionen, neue Farb- und Designkombinationen, aber es ist nichts dabei, was man nicht so oder sehr ähnlichen schon in den Vorjahren gesehen hat – und bewundert. Denn wenn man die wuchtige Gestalt der Kontinentalbetten mag, sind sie durchaus beeindruckend. Und sie fühlen sich auch gänzlich anders an als all die mitunter recht austauschbaren Variationen von Schaum- und Federbetten. Matratzen sind mit Seide bezogen, Verzierungen sind nicht gedruckt, sondern gestickt, das Innenleben besteht aus tausenden und abertausenden Federn umgeben von seltenen Schaf- und Kamelwollen und anderen Naturmaterialien, die ihren Preis haben – und dass der Kunde, der bereit ist, mehrere Zehntausend Euro für seine Schlafstätte hinzublättern auch individuell bestimmen darf, wie sein Bett aussieht, wie es ausgestaltet und arrangiert ist, versteht sich fast schon von selbst.

In dieselbe Richtung bewegt sich der 1846 gegründete Traditionshersteller Stearns & Foster aus den USA, der auf der IMM gemeinsam mit Tempur / Sealy auftrat: Luxus mit hochwertigen Naturmaterialien, in Handarbeit gefertigt, sehr lange haltbar. Das „perfekte Schlaferlebnis“, das hier wie auch ähnlich bei den vorgenannten zelebriert wird gilt es aber mit Vorsicht zu genießen: So edel und gemütlich diese Betten auch sein mögen, sie kranken systemimmanent aufgrund der oft weichen und sehr hohen Matratzen daran, dass ihre Klimaeigenschaften nicht selten suboptimal sind, da von unten kaum oder keine Belüftung stattfindet und der Nutzer zum Schwitzen neigt, je höher die Auflagefläche ist. Selbst das teuerste System muss also nicht zwangsläufig das beste sein, zumindest aus Sicht der optimierten Schlafqualität, bei der neben der Bettwäsche auch die Eigenschaften der Matratze eine tragende Rolle spielen. Aber generell sind Boxsprings Geschmacksache und das Publikum teilt sich – wie beim Wein – in jene, die auf teure Produkte abfahren um ihren Status zu untermauern, und jene, die aus Kennerschaft auf ein bestimmtes Produkt setzen. Wobei letztere Gruppe naturgemäß in der Minderheit ist.

Im Gegensatz zur Traditions-Konkurrenz verarbeitet Stearns & Foster allerdings nicht nur rein natürliche Materialien (die Federsysteme freilich ausgenommen), sondern integriert beispielsweise in die 37cm hohen Matratzen seiner aktuellen Estate-Kollektion auch Gelschaum, der im Wesentlichen die Eigenschaften von Viscoschaum bietet. Für Puristen dürfte das ein No-Go sein, ebenso wie sich andere am Lüftungssystem „PrimaVent“ stören dürften, dessen Öffnungen an den Seiten der Matratze aus Messing bestehen. Entsprechend werden je nach Bettelement Garantiezeiten von zwei bis zehn Jahren gewährt – die Konkurrenz im reinen Naturmaterialien-Bereich wie etwa Candia Strom punktet mit 25 Jahren und mehr.