Zu den kunstvollsten und schönsten Geweben gehören diejenigen, die ihre Bezeichnung nach der syrischen Stadt Damaskus erhalten haben. Die Ursprünge der Damastweberei liegen im Alten China um 1500 v. Chr. Vor Christi Geburt wurden im Fernen Osten, in Damaskus, Seidendamaste hergestellt. Er wurde durch die Perser bis ins 6. Jahrhundert im Mittelmeerraum verkauft. Danach wurde Byzanz das Zentrum der Damastherstellung und des Damasthandels. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts produzierte man in Oberitalien Damaste. Danach breitete sich die „gezogene Weberei“ in Europa aus.
Der Name „Damast“ oder auch „Damask“ leitet sich daher von „) Damaskus ab. Die Stadt heißt also: „Die bunt Gewundene“. Das rührt von den gewundenen Straßen und Gassen her, denn Damaskus ist eine der ältesten Städte des Morgenlandes. Als der Apostel Paulus aus Damaskus flüchtete (es mag um 36 n. Chr. gewesen sein), kannte man den Damast noch nicht, aber die Stadt war bekannt durch die Herstellung von Seidenstoffen, Teppichen, Stickereien, Leinen und Wollgeweben; letztere wurden mit dem Saft der Purpurschnecke leuchtend rot oder blau gefärbt. Am bekanntesten war die Brokatweberei: mit kostbaren Seidenstoffen, die mit Gold und Silberfäden durchzogen waren.
Aus der Brokatweberei muss sich im 9./10. Jahrhundert n. Chr. die Damastweberei entwickelt haben. Die alte Kaufmanns- und Hansestadt befand sich bereits zwei Jahrhunderte unter islamisch-arabischer Herrschaft. In den Basaren lag der Reichtum des Orients ausgebreitet, und in Ballen der Damast, in den schöne Blumenmuster, Worte und Ornamente gewoben waren. Neben den Brokatstoffen war dieses feingemusterte Gewebe ein begehrter Artikel, und durch Jahrhunderte war das Herstellungsverfahren ein Monopol der Damaszener. Vergeblich versuchten die Franken (Europäer), die Webtechnik kennen zu lernen. Wer von den Webern in Damaskus wollte ausplaudern? Ganze Sklavenheere, zumeist mit ausgeschnittenen Zungen stumm gemacht, waren an den Webstühlen beschäftigt.
Und doch wurden eines Tages die Kenntnisse in der Weberei nach Byzanz weitergegeben, einer Stadt, die sowohl nach Damaskus als auch zu allen wichtigen abendländischen Handelsplätzen rege Verbindungen pflegte. Über den Bosporus war es nur ein kurzer Sprung, und die dortigen Kaufleute wussten aus ihrer Mittlerstellung reiche Gewinne zu ziehen. Von dort holte sich der Normannenkönig Roger mehrere Spinner und Weber in seine reiche Residenz Palermo. Er besaß dort um das Jahr 1140 eine Manufaktur, und von dort verbreitete sich die Kunstweberei über ganz Unter- und Oberitalien. Die Herkunft der Waren aus Byzanz und Syrien, mindestens hinsichtlich der Webtechnik, war allgemein bekannt und so kehrte man noch im Mittelalter zu der Bezeichnung „Damast“ zurück. Am Anfang des 15. Jahrhunderts setzte die Leinendamastweberei in gerader Linienführung ein, wie wir sie bei Handtüchern kannten. Zunächst erzeugte man mittels der Bindung Quadrate. Es wurden also solche aus Kett- und Schussatlas regelmäßig neben- und übereinander gesetzt, wobei das auf die verschieden flottenden Fäden einfallende Licht stärker oder schwächer reflektiert wurde. Später ging man zu Streifenmustern über, wie dies vom Streifensatin oder, wie man früher sagte, vom Streifendamast noch wohlbekannt ist. Bei allen derartigen Gebildgeweben konnten Schaftstühle mit zehn Schäften verwendet werden. Über Byzanz und Frankreich, Flandern und Holland kam der Damast nach Deutschland, wo die Herstellung besonders in Sachsen, Schlesien und im Bielefelder Raum erfolgte. Erst mit der Einführung des Damastzugwebstuhles wurde die Damastweberei moderner.
Zwei Großschönauer Leineweber, die Brüder Friedrich und Christoph Lange, haben die Damastzugwebstühle in Holland kennen gelernt und 1666 in ihrer Heimat eingeführt. Von 1666 bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde in Großschönau so viel Damast gewebt wie in keinem anderen Ort Deutschlands. Zu den Auftraggebern gehörten zahlreiche europäische Herrscherhäuser. Der Damastzugwebstuhl war bis in die Neuzeit das Komplizierteste mechanische Gerät, das der Mensch entwickelt hatte. Denn es ging nicht nur um die Kraftübertragung durch verschiedene Mechanismen, sondern ebenso darum, die Ausführung einer künstlerischen Idee in viele tausend mechanische Schritte zu zerlegen und diese in einem umfassenden Programm zu fixieren, nach welchem das Gewebe jederzeit hergestellt werden konnte. Während beim Leinwandwebstuhl Schäfte und beim Jacquardwebstuhl Harnischschnüre die Kettfäden steuern, verfügt der Damastzugwebstuhl über zwei Einrichtungen zur Bildung des Webfaches: Die Harnischschnüre heben die Kettfäden mustergerecht aus, und die Schäfte bilden das Fach für die Atlasbindung. Zur Bedienung eines Zugwebstuhls waren mindestens ein Weber und ein Zieher erforderlich. An einem Tag konnten nur 20 bis 30 cm gewebt werden. Der auffallendste Unterschied zu anderen Webstühlen ist der Lätzezug, der sich an der Seite des Zugwebstuhls befindet und mit dem die Musterbildung gesteuert wird. Schon im 17. Jahrhundert waren deutsche Damaste, die in mühsamer Handarbeit auf diesen Zugstühlen gewebt wurden, berühmt. Es wird berichtet, dass für einzelne Gedecke Zehntausende von Talern bezahlt wurden. Bekannt aus dieser Zeit ist das noch heute in Madrid erhaltene Gedeck des Herzogs von Alba, das aus drei großen und sechs kleinen Tafeltüchern und 250 Servietten bestand. Er erhielt dieses von den flandrischen Ständen als Geschenk, ein einzigartiges Werk, das durch seine zahlreichen, prächtigen Webmotive auffällt.
Allmählich lockerte sich die strenge Linienführung auf und es bildeten sich im 16. und 17. Jahrhundert Streublümchen, stilisierte Blätter und vor allem Granatäpfelmuster. Der Barock prägte diese Richtung mit seiner reichhaltigen Fülle noch stärker aus, bis dann am Ende des 18. Jahrhunderts wieder mehr Ruhe in der Formengestaltung einkehrte. Nur die Reichsten konnten sich die kostbaren Damaste, die bis nach Übersee exportiert wurden, leisten. Der Gewinn fleißiger Arbeit kam vor allem den wohlhabenden Fabrikanten, die mehrere Gesellen für sich arbeiten ließen, den Verlegern, die den Webern das Garn verkauften und ihnen die fertige Ware abnahmen, und in Form von hohen Abgaben dem Zittauer Rat zugute. Während sich die reich gewordenen Fabrikanten einen kostspieligen Lebensstil leisten konnten, mussten die Weber, die die Werte schufen, in sehr bescheidenen Verhältnissen leben und arbeiten. 1743 und 1795 wurden Damastweberordnungen von der Obrigkeit erlassen, um das Geheimnis des Damastwebens zu wahren. Mit harten Strafen versuchte der Zittauer Rat, die Einhaltung der Damastweberordnung durchzusetzen, und die Auseinandersetzungen um eine Verringerung der an die Obrigkeit zu zahlenden Abgaben zogen sich über Jahrzehnte hin.
Durch die von dem französischen Textiltechniker Joseph Marie Jacquard (1752-1834) im Jahre 1805 erfundene Jacquardtechnik erhielt die Damastweberei noch einmal reiche Anregungen und nahm im Abendland einen starken Aufschwung. Vorher war die Technik nur unter Aufwand vieler Handarbeit möglich. Jetzt konnten Massenartikel, Bettdamaste, sowie zahlreiche andere Gewebe wie Drelle und Steppdecken preiswert erzeugt werden. Die Qualität reichte bald an die des damaszenischen Damastes heran. Hinzu kam die europäische Quantität der mechanischen Produktion, gegen die Damaskus Handwebereien nicht mehr aufkamen. In kurzer Zeit spielte der damaszenische Damast auf dem Weltmarkt keine bedeutende Rolle mehr. Um 1870 zeichnete sich das Ende der Herstellung des „echten“ handgezogenen Damastes ab; er wurde zunehmend von der praktischeren und preisgünstigeren Jacquardwebtechnik ersetzt. 1935 wurde in der Großschönauer Firma Richter & Goldberg der letzte Damast, auf einem Handwebstuhl mit Jacquardkarten, gewebt. Mit dem zweiten Weltkrieg hörte die Damastweberei in Großschönau gänzlich auf. In den 1950er Jahren verwendete man diese besondere Webtechnik noch für die Lehrlingsausbildung in Großschönau. Heute kann man nur noch im Deutschen Damast- und Frottiermuseum Großschönau echte Damastweberei sehen.
Streng genommen war zu damaliger Zeit ein großer Unterschied zwischen Jacquard- und echter Damastware. In der Praxis hatte sich jedoch die Gepflogenheit herausgebildet, alle figürlichen Darstellungen, die durch Bindungstechnik entwickelt wurden, als Damaste zu bezeichnen. War der Damast früher ein rein technischer Begriff, so versteht man heute unter Damast allgemein alle vereinfachten, großgemusterten hochwertigen Jacquardgewebe, deren Musterung durch wechselseitige Anwendung von Kett- und Schussflottierungen wirkungsvoll in Erscheinung tritt. Jacquardware ist aber tatsächlich kein echter Damast. Durch das Spiel von Lichtreflektionen entsteht ein elegantes Musterbild. Seinen besonderen, seidigen Glanz erhält der Damast durch den Einsatz von feinfädigen, supergekämmten Garnen und spezieller Ausrüstung.
Echter Damast hat an den Konturen der Webmuster stets Aushebungen um mehrere Fäden, meistens um vier, während Jacquardgewebe nur um einen Faden abgesetzt waren. Man bemerkte also beim Damast im engeren Sinn treppenartige Konturen, wodurch ein stilisiertes Muster erhalten wurde. Echter Damast ist ein Bildgewebe mit Atlasbindung, und zwar Kettatlas in der Figur und Schussatlas im Grund oder umgekehrt. Der Musterkontrast zwischen Fond und Figurflächen wird durch den Wechsel zwischen Kett- und Schussatlasbindung erzeugt. Je nach Lichteinfall treten die Muster plastisch hervor.
Bei der heute noch hergestellten Damastwäsche handelt es sich um Jacquardware, deren Muster anders als beim echten Damast entsteht. Unechter Damast oder auch Jacquarddamast genannt, zeigt bei einfädiger Abstufung eine glattkonturige Musterung. Er kann in Schussatlas, Kettatlas und Köperbindung gewebt und zur plastischen Musterbildung mit Leinwandbindung und/oder Panamabindung versehen sein. Die gleiche Warenbezeichnung hat sich eingebürgert, da beide Erzeugnisse Bildgewebe sind und da die Jacquardtechnik aus der Damastweberei hervorgegangen ist.
Im Deutschen Damast- und Frottiermuseum Großschönau, welches 1905 als Heimatmuseum gegründet wurde, ist die Geschichte der deutschen Damast- und Frottierweberei lebendig geblieben. Ein Besuch ist ein Gang durch die deutsche Webereigeschichte, anschaulich und vor allen Dingen in voller Funktion. Elf Webstühle geben einen Einblick in die Entwicklung der Weberei, von der Leineweberei bis zu einem Frottierwebautomaten von 1970. Zu den Attraktionen gehören Vorführungen an dem in Deutschland einzigen funktionstüchtigen Damastzugwebstuhl. Dieser wurde um 1915 rekonstruiert, war lange Zeit nicht in Funktion und konnte 1987 nach jahrelanger mühevoller Arbeit wieder in Betrieb genommen werden. Wahrscheinlich handelt es sich um den einzigen Webstuhl dieser Art, auf dem heute noch echter Damast hergestellt wird. Seit dem Jahr 2000 ist ein zweiter rekonstruierter Damastwebstuhl in Betrieb.
Technische Exponate beeindrucken den Museumsbesucher vor allem dann, wenn sie in Funktion vorgeführt werden können – deshalb ist die 1996 eröffnete textiltechnische Ausstellung zur Großschönauer Frottierindustrie eine besondere Attraktion. Eine Schauwerkstatt mit 26 Textilmaschinen vermittelt einen anschaulichen Einblick in die Entwicklung der Oberlausitzer Textilindustrie. Schon beim Eintritt in die Schauwerkstatt hat man das Gefühl, sich in einem alten Websaal zu befinden. Der geschichtlichen Entwicklung der Großschönauer Textilindustrie wird auf zahlreichen Schautafeln Rechnung getragen. Jacquardkarten-Schlagmaschinen, -Bindemaschinen, -Kopiermaschinen, Kreuz- und Schussspulmaschinen und Automaten, Effektzwirnmaschine, Konusschärmaschine, Schnurkordelmaschine, Frottierwebmaschinen und Automaten, Webautomat mit Schaftmaschine, automatische Webkettenanknüpfmaschine und Spezialnähmaschinen gehören zum Ausstellungsangebot. Sie zeigen, wie auf alten Maschinen einfache Leinwand, Frottierware und Jacquardgewebe entstehen. Dazu gehören der Kartenschlag, die Schärerei, die Spulerei, verschiedene Webmaschinen und die Konfektion. Die in der vom Förderverein betriebenen Schauwerkstatt hergestellten Produkte sind als Souvenirs erhältlich. Das Prunkstück ist eine einmalige Sammlung kostbarer Damaste aus vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Die ausgestellten Bildgewebe zeigen religiöse Motive, Wappen, Jagdszenen, Sehenswürdigkeiten, allegorische Darstellungen, Tiere und Blumen oder würdigen historische Ereignisse.
Deutsches Damastmuseum Großschönau
Schenaustrasse 02779 Großschönau
Telefon 035841 35469
www.ddfm.de
Joachim Becker