Nachhaltigkeit ist ein Begriff, der einem nicht nur auf der IMM Cologne, nicht nur bei Bettenherstellern, sondern quer durch alle Branchen immer öfter begegnet. Die Entsorgung von Matratzen soll nun umfangreich reformiert werden, um Umweltverträglichkeit sicherzustellen. Grund ist unter anderem, dass der Mehrzahl der Verbraucher das Thema wichtig ist. 

 

 

Aber welche Produkte sind wirklich nachhaltig? Kritiker monieren, dass der Begriff meist aus der PR-Abteilung kommt, und dass sich hinter dem „greenwashing“ der Industrie oft kaum mehr als leere Worte verbergen. Wirkliche Nachhaltigkeit würde bedeuten: Materialien kommen aus nachvollziehbaren Quellen, werden umweltverträglich gewonnen und verarbeitet; in den Betrieben, auch denen der Zulieferer, herrschen gute Arbeitsbedingungen, werden angemessene Löhne gezahlt, haben die Arbeiter die Freiheit, sich gewerkschaftlich zu organisieren; es bedeutet, dass möglichst wenige Komponenten um den halben Erdball transportiert werden, um den ökologischen Fußabdruck klein zu halten; es bedeutet auch, dass ein Produkt möglichst komplett recyclebar ist und keine Elemente enthält, deren Entsorgung umweltschädlich ist.

Bis heute gibt es so gut wie kein Unternehmen auf der Welt, das all diese Kriterien gänzlich erfüllt. Denn all das kostet Geld, treibt die Preise, schmälert die Gewinne. Gesetze sind oft unzureichend. Dem Verbraucher sollen Siegel Orientierung bieten, doch die schiere Masse der Siegel am Markt sorgen eher für Desorientierung. Bei vielen wird die Einhaltung der Kriterien nur unzureichend überwacht. Andere Siegel sind Marketing-Erfindungen von Herstellern. Das ist ein vielseitiges Dilemma, das auf Dauer auch das Vertrauen der Verbraucher in die Hersteller und in Nachhaltigkeitsmaßnahmen insgesamt untergräbt.

Das mag einer der Gründe dafür sein, dass der Fachverband der Matratzenindustrie das Thema im Rahmen der IMM Cologne 2017 auf die Agenda setzte. Die Sleep Lounge in Halle 9 widmete sich der Nachhaltigkeit in der Bettenindustrie, es gab Vorträge, Gespräche, Informationsaustausch. Es ist ein brennendes Thema – nicht nur weil, so eine Erhebung des Wuppertal Instituts, 66 Prozent der Konsumenten bereit wären, für nachhaltige Möbel mehr Geld zu bezahlen. Ein Trend, der alle Lebensbereiche erfasst. Um ein anderes Beispiel heranzuziehen: Ganze 77 Prozent wären bereit, mehr Geld für Fleisch zu bezahlen, wenn in der Produktion stärker auf das Tierwohl geachtet würde. Das ergab der Ernährungsreport 2017, der im Januar vom Bundesagrarministerium vorgestellt wurde.

Die Branche sollte angeregt werden, auch ihr eigenes Handeln zu hinterfragen – was in diesem Bereich meist zwangsläufig mit den Gewinnabsichten kollidiert. Kein leichtes Thema also. Der Fachverband rief dazu auch die Ursprünge des Nachhaltigkeits-Begriffs bei Club Of Rome und den Vereinten Nationen in Erinnerung und an die von der Bundesregierung im Sommer 2016 aufgestellten Kriterien:

•    Erhaltung und Schonung von Lebensräumen
•    Effizienter Einsatz von Ressourcen, wie Energie, Rohmaterialien und Wasser
•    Reduzierung/Vermeidung von Schadstoffemissionen in Luft, Boden und Wasser
•    Reduzierung/Vermeidung von Belastungen für die Gesundheit
•    Sicherung sozial-verträglicher Arbeitsbedingungen

Der Verband zeigt sich dabei durchaus selbstkritisch, indem er die Hersteller hinweist: „Doch wenn beim Kauf einer Matratze unter Umständen nicht einmal nachvollziehbar ist, wer der Hersteller und welches sein Produktionsstandort ist, dann ist die Beurteilung der Nachhaltigkeit kaum möglich.“ Für die Industrie bedeutet es eine Herausforderung, wenn sie all diese Aspekte wirklich umsetzen will.

Und zumindest in Teilbereichen werden sie dazu bald gezwungen sein. Denn, so erläutert Thomas Wiese vom dänischen Hersteller Akva, der auch im Verband mitmischt: „Die Recyclingfähigkeit von Betten wird auf europäischer Ebene bald in einheitlichen Richtlinien und Gesetzen vorangeführt, was die Hersteller in Zukunft bei der Materialauswahl und der Verarbeitung zu berücksichtigen haben, damit Rohstoffe erhalten und im Wertstoffkreislauf bleiben. Zur Zeit landen viele Matratzen und Bettsysteme leider eher nur als Sperrmüll in der Müllverbrennung und die Rohstoffe werden unnutzbar. Die Recycling-Wirtschaft hat bei der Vielzahl verschieden aufgebauter Betten und Matratzen kaum die Möglichkeit zu investieren. Nur teilweise können aus Schäumen Sekundärprodukte hergestellt und lohnenswert recycelt werden.“

Eine noch offene Frage wird dann auch sein, wie Entsorgung und Recycling von Matratzen künftig geregelt werden wird – und was damit auf Verbraucher und Händler zukommt. Denkbar ist, dass Händler verpflichtet werden, alte Matratzen zurückzunehmen und festen Sammelstellen zuzuführen. Oder eben dass dies an den Verbrauchern hängenbleibt. Die bislang übliche Entsorgung über den Sperrmüll dürfte dann aber ausgedient haben.

„Nachhaltigkeit geht jedoch über das Recycling von Alt-Matratzen weit hinaus und beginnt schon bei der Produktentwicklung. Hier ist ganz sicher damit zu rechnen, dass auch auf nationaler und europäischer Ebene immer höhere Anforderungen an die Industrie gerichtet werden, auf die wir uns vorbereiten müssen“, kommentiert Claudia Wieland vom Fachverband der Matratzenindustrie. Sie fügt hinzu: „Auf der imm cologne konnten wir beobachten, dass das Interesse an nachhaltig produzierten Matratzen wächst. Der Zuwachs im Bereich von (Natur) Latexmatratzen dürfte beispielsweise in diesem Zusammenhang zu sehen sein. Auf der anderen Seite sehen wir aber auch immer noch eine Menge von Matratzen, die immer mehr Komponenten miteinander verbinden, was beim Materialeinsatz und vor allem bei der Zerlegung am End-of-Life in Zukunft unter Nachhaltigkeitsaspekten genau zu beleuchten sein wird.“

Während vergleichsweise simple Produkte wie Rosshaar-Matratzen oder andere, deren Kern aus nur einem natürlichen Material besteht, schon deswegen nachhaltig sind, weil sie vergleichsweise sehr lange nutzbar und schon heute problemlos recyclebar sind, dürfte das bei Materialmischungen und vor allem synthetischen Matratzen etwa aus Kaltschaum schon deutlich schwieriger werden. Daher bleibt abzuwarten, welche Regeln die EU am Ende aufstellen wird. Der Matratzenverband verspricht, seine Mitglieder bei der Umsetzung zu unterstützen.